Nachteilsausgleich, mehr als nur ein schönes Wort?
Jetzt, wo ich drauf und dran bin, mein zweites Bachelorstudium abzuschliessen und zuvor bereits an 2 Unis war, möchte ich gern etwas über Nachteilsausgleich schreiben. Oder genauer gesagt über Nachteilsausgleich für Autisten an Universitäten und anderen Hochschulen. Ziel ist, dass die darin enthaltenen Informationen anderen helfen. Wenn alles klappt, möchte ich dazu auch Checklisten und andere Ressourcen als Download bereitstellen. In meinem Kopf bestehen sie jedenfalls schon!
Wieso Nachteilsausgleich?
Mein erstes Studium habe ich ganz ohne offiziellen Nachteilsausgleich erfolgreich zu Ende gebracht. Auf dem Weg dorthin brachte ich aber vermutlich ein paar Professoren zur Verzweiflung. Zum Beispiel bei der mündlichen Prüfung, die in einem totalen Shutdown endete. Oder weil sie nicht verstehen konnten, warum ich ihren Vorlesungen im Raum mit den quietschenden Stühlen und der lauten Uhr fernblieb. Oder weil ich mal ausgerastet bin, da sie der Meinung waren, dass die Sicherheitsregeln im Labor nur für Studenten, nicht aber für Assistenten gültig sind. Ich hatte ja damals auch noch keine Diagnose. Daher wurden diese Geschehnisse als Desinteresse, Wichtigtuerei oder fehlende Prüfungsvorbereitung fehlinterpretiert. Ich war auf mich alleine gestellt.
Obwohl es beim ersten Studium auch ohne Nachteilsausgleich geklappt hat, wollte ich mir beim zweiten den unnötigen Stress ersparen. Schlaflose Nächte wegen Gruppenarbeiten? Prüfungen, die einem Wettlauf mit Stoppuhr auf einem Festivalgelände ähneln? Unklarheiten bei den Aufgaben und dem Prüfungsstoff einfach bestehen lassen? Alles Dinge, auf die ich gut verzichten kann. Und ich hatte ja auch ein Recht auf Nachteilsausgleich. Unabhängig der Tatsache, dass ich es schon mal ohne geschafft hatte und dass ich gute Noten schrieb. Man muss den Stress (der so gross ist, dass er mich manchmal krank macht) nicht aushalten. Autisten haben beim Studium ein Recht auf Stressverringerung.
Was für Hilfe gibt es dann?
Als Autist konkrete Hilfe zu bekommen, ist so eine Sache. Es scheint manchmal, als ob Modewörter wie individualisiert und auf die Person zugeschnitten es den zuständigen Fachpersonen verunmöglichen, eine konkrete Liste mit Lösungsmöglichkeiten vorzulegen. Viel lieber möchten sie in einem offenen Gespräch meine persönlichen Bedürfnisse gemeinsam herausfinden. Alles andere würde mich nur einschränken. Vielleicht kommen manche Autisten mit dieser wir-machen-jetzt-mal-ein-Ausflug-ins-Universum-da-finden-wir-die-verlorene-Schraube-unseres-Raumschiffs-dann-schon-irgendwo-Methodik auch ganz gut klar, in meinem Gehirn allerdings funktioniert das anders.
Für diejenigen, die mit der Suche nach der Schraube im All ebenfalls überfordert sind, habe ich also Beispiele gesammelt. Ich werde diese hier kurz beschreiben. Es gibt sie aber auch als Checkliste am Ende dieses Posts, wo dann sowohl du als auch die Uni ankreuzen können, welche Hilfsmittel in Frage kommen.
Vorlesungen
- Keine Anwesenheitspflicht: Ich hatte persönlich noch nie Vorlesungen mit offizieller Anwesenheitspflicht, aber an manchen Unis und Fachhochschulen gibt es sie. Es gab schon unterschiedlichste Gründe, warum ich einer Vorlesung, an der ich teilnehmen wollte, fernbleiben musste: von Schlafproblemen bis hin zur Schulklasse, die im Zug einen mentalen Overload verursacht. Damit man in so einem Fall nicht auch noch wegen eines Attests zum Arzt rennen muss, kann es sinnvoll sein, bereits im Voraus entsprechende Vereinbarungen mit der Uni zu treffen.
- Die Vorlesung immer verlassen dürfen: Auch während der Vorlesung bahnt sich manchmal ein Overload an. In so einem Fall ist es wichtig, die Vorlesung verlassen zu dürfen, ohne den Zorn des Professors auf sich zu ziehen.
- Bestimmter Vorlesungssaal: Für einige von uns sind manche Vorlesungssäle eine sensorische Zumutung. Falls dies bei dir der Fall ist und du der Vorlesung trotzdem beiwohnen möchtest – die Alternative dazu wäre, den Stoff komplett im Selbststudium zu erlernen – kannst du versuchen, die Vorlesung in einen für dich angenehmeren Vorlesungssaal verlegen zu lassen. Dies solltest du am besten so früh wie möglich und auf jeden Fall vor Semesterbeginn machen.
- Das Skript und die Handouts werden im Voraus zu Verfügung gestellt: An manchen Unis ist es wohl inzwischen die Norm, dass die Unterlagen zur Vorlesung im Voraus auf der Online-Lernplattform zur Verfügung gestellt werden, aber es gibt immer Ausnahmen. Die Folien zur Hand zu haben bringt Vorhersehbarkeit, Struktur, und visuelle Unterstützung für diejenigen, die Schwierigkeiten dabei haben, der Vorlesung rein auditiv zu folgen.
- Hilfe beim Erstellen von Notizen während der Vorlesung oder die Möglichkeit, Notizen von jemand anderem zu bekommen: An der Uni in Gent bekamen wir auf der Lernplattform mehrmals Anfragen des für Studenten mit Behinderung zuständigen Dienstes, ob jemand mit leserlicher Handschrift seine Notizen für dyslektische oder dyspraktische Studenten zur Verfügung stellen würde. Manchmal gab es sogar eine Vergütung von der Uni dafür. Wenn du selbst keine engen Beziehungen zu den Mitstudenten hast, ist es also möglich und sogar sinnvoll, wenn die Uni dies für dich organisiert.
- Benachrichtigung, wenn sich etwas ändert – Vorlesung wird von jemand anderem durchgeführt, findet in einem anderen Raum oder zu einem anderen Zeitpunkt statt: Manchmal steht plötzlich ein anderer Dozent vorne in der Aula, weil der Professor an einer Konferenz ist. Oder ein Zettel an der Tür des Vorlesungssaals besagt, dass die Vorlesung in ein anderes Gebäude verlegt wurde. Hätte ich das gewusst, wäre ich erst gar nicht gekommen, denke ich dann. Diese unerwarteten Anpassungen führen oft dazu, dass ich gar keine Energie mehr vorrätig habe, um mich auf den Vorlesungsinhalt zu konzentrieren.
Projekte und Laborarbeit
- Keine Gruppenarbeiten: Gruppenarbeiten bringen oft sehr viel zusätzlichen Stress mit sich. Zudem gibt es meistens nicht nur eine pro Semester, sondern eine pro Vorlesung. Da kommt schnell einiges an Stress zusammen. Wenn Gruppenarbeiten einfach dazu da sind, den Assistenten Korrekturarbeit zu sparen, verzichte ich ohne Zögern darauf. Ob du alleine auch die ganze Arbeit oder nur einen Teil davon machen musst, ist Verhandlungssache. Ich mache die Arbeit von Zweiergruppen gerne allein. Ist die Arbeit auf eine grössere Gruppe ausgelegt, würde ich einen Teilerlass erbeten.
- In eine Gruppe kommen mit jemandem, den du kennst: Falls du die Vorlesung zusammen mit jemanden besuchst, den du gut kennst, kann es sinnvoll sein, Gruppenarbeiten gemeinsam mit dieser Person zu machen. Wenn du die Gruppe selber wählen kannst, ist dies einfach. Aber manchmal bestehen Dozenten darauf, die Gruppen zufällig zusammenzuwürfeln. In diesem Fall kannst du über einen Nachteilsausgleich doch noch in der von dir gewünschten Gruppe landen.
- Sich nicht selber eine Gruppe suchen müssen: Ein andere, oft benutzte Methodik des Erstellens von Arbeitsgruppen ist die Selbstorganisation. Der Dozent sagt ‚macht euch Dreier-, Vierer- oder Fünfergruppen‘ und auf magische Weise kommen dann wie von alleine die Gruppen zustande. Diese Art von Selbstorganisation kommt für mich komplettem Chaos nahe und hat schon einige Shutdowns verursacht.
- Mentoring für Gruppenarbeit: Die Arbeit in einer Gruppe wird oft als Teil des Skillsets verstanden, das die Uni dir zu vermitteln versucht. In diesem Sinne kann es also sinnvoll oder sogar nötig sein, dich auf einige wenige Gruppenarbeiten während des Studiums einzulassen. Wenn du dies nicht alleine schaffst, kannst du Mentoring beantragen. Ein Mentor kann dir dabei helfen, die Gruppenarbeit zu strukturieren und die Interaktion mit den anderen Gruppenmitgliedern vorzubereiten oder teilweise oder komplett übernehmen. Achte darauf, dass du relativ stressfrei mit deinen Mentor kommunizieren kannst und dass dieses Mentoring nicht zu viel zusätzliche Belastung verursacht. Wenn du schon einen Coach oder Therapeuten hast, bei dem du dich wohl fühlst und der dies übernehmen kann, kannst du dies so vorschlagen.
- Mehr Zeit bekommen: Man kann argumentieren, dass das Organisieren eines grösseren Projekts für einen Autisten möglicherweise mehr Energie und damit mehr Zeit in Anspruch nimmt. Deswegen kann es sinnvoll sein, zusätzliche Zeit zu beantragen. Stell jedoch im Voraus klar, wieviel zusätzliche Zeit du bekommst und leg schriftlich eine Deadline fest.
- Das Labor benutzen, wenn es weniger voll ist: Weniger Leute bedeutet weniger Stress, weniger Geräusche und weniger Unvorhersehbarkeiten.
- Hilfe mit der Organisation und Planung grösserer Projekte: Als Detaildenker ein grösseres Projekt zu organisieren ist nicht immer einfach. Insbesondere dann, wenn es das erste solche Projekt ist. Man weiss manchmal nicht, wo man anfangen soll, steckt in Unklarheiten fest oder verliert sich in einem Detail. Vielleicht benötigst du zusätzliche Deadlines für kleinere Zwischenschritte, einen Plan oder einfach jemanden, der all deine (Detail)Fragen beantwortet.
Prüfungen
- Mehr Zeit für die Prüfung: Fragen interpretieren, Antworten formulieren, schreiben. Manchmal macht nicht der Inhalt, sondern der Prozess eine Prüfung zum Stolperstein. Zeitdruck hilft da sicher nicht. Natürlich kannst du nicht unendlich viel Zeit bekommen, aber 20-30% mehr sorgt bei mir schon für eine riesige Stressreduktion.
- Schriftliche statt mündliche Prüfung: Nehme ich ab und zu in Anspruch, da mündliche Kommunikation wirklich nicht so mein Ding ist. Schlussendlich besteht ja das Ziel der Prüfung darin, herauszufinden, ob ich den Stoff beherrsche und nicht darin, mir die Wörter aus dem Mund zu zwingen.
- Mündliche statt schriftliche Prüfung: Genau so wie ich lieber schreibe als rede, gibt es Autisten, bei denen es genau umgekehrt ist.
- Schriftliche Prüfungen mündlich erläutern: Wenn du oft zu viel oder zu wenig oder das Falsche schreibst, obwohl du die Antwort auf die Frage weisst, kann dies eine Lösung für dich sein. Du bekommst die Fragen schriftlich und schreibst auch deine Antworten dazu. Nach der schriftlichen Prüfung kannst du den Test mit dem Dozenten durchgehen. Falls du zu wenig geschrieben hast, kann er zusätzliche Fragen stellen oder diese anders formulieren, wenn du sie falsch interpretiert hast.
- Die Prüfung in einem separaten Raum schreiben: Obwohl es vielleicht nicht jedem auffällt, ist ein Vorlesungssaal mit 100 anderen Studenten ein ausgesprochen lauter Ort, um eine Prüfung zu schreiben. Ein kleiner Raum mit nur zwei Menschen darin macht einen riesigen Unterschied aus.
- Beruhigungshilfen mit an die Prüfung nehmen dürfen: Kopfhörer mit deiner Lieblingsmusik, ein Gewichtspad auf deinem Schoss, eine farbige Lavalampe. Falls du während der Prüfung solche Sachen brauchst, um deine Stresslevels unter Kontrolle zu halten, kannst du beantragen, dass du sie mitnehmen darfst.
- Die Prüfungen weiter auseinander legen dürfen: Am Montag Bio, am Dienstag Mathe. Wo findet man dazwischen noch die Zeit, sich geistig neu auszurichten? Falls du damit auch Probleme hast und deine Prüfungen zu nah beieinander liegen, kannst du die Prüfungstage eventuell verschieben.
- Die Prüfung auf eine bestimmte Tageszeit legen: Weil du als erstes an die mündliche Prüfung möchtest, damit es keine Verspätungen gibt, oder weil du einen anderen Tag-Nacht-Rhythmus hast als die meisten Menschen.
Organisatorisch
- Coming out: Soll deine Klasse wissen, das du autistisch bist, oder lieber nicht? Falls ja, wie möchtest du das kommunizieren? Brauchst du dabei Hilfe oder nicht?
- Hilfe beim Sammeln der organisatorischen Informationen zu Semesterbeginn: Ich nehme oft jemanden an die erste Vorlesung des Semesters mit. Es gibt so viele Informationen, die man sammeln muss. Manche Dinge werden nur kurz oder gar nicht erwähnt. Aber diese Details sind für die Semesterplanung unerlässlich. Unter Downloads findest du ein Formular mit allen praktischen Informationen, die ich am Anfang des Semesters zusammentrage.
- Eine strukturierte Inhaltstabelle des Prüfungsstoffs zu Semesterbeginn: Schon sehr schnell stellt sich heraus, dass manche Vorlesung eine unstrukturierte Geschichtensammlung ist oder dass auf den Slides jeder Titel dieselbe Gewichtung hat. Solche Dinge sind oft für meine ersten Panikattacken des Semesters verantwortlich. Wenn ich keine Struktur erkenne, dreht mein Hirn unweigerlich durch. Andere scheinen damit nicht so ein Problem zu haben, und der Prof ist sich der Problematik meist nicht einmal bewusst. Die Systematik der Vorlesungsstruktur existiert meist im Irgendwo, im schlimmsten Fall sogar nur im Kopf des Professors. Mit Glück existiert ein Buch, auf dem die Vorlesung basiert, das aber nicht erwähnt wurde.
- Hilfe bei der Benutzung von Tools: Ob Online-Lehrplattform oder Bibliothek: Tools sind dazu da, dir das Leben einfacher zu machen. Aber wenn man nicht weiss, wie man damit umgehen soll, können sie auch zum Hindernis werden. Am Ende meines Studiums wusste ich immer noch nicht, wie ich in der Uni-Bibliothek ein Buch ausleihen konnte. Ich wollte zwar schon oft einfach mal nachfragen, aber auch das Nachfragen ist für mich alles andere als einfach. Deswegen wünsche ich mir manchmal, jemanden zu haben, der mir die Bibliothek zeigt. Wenn ich noch mal neu anfangen würde wäre dies sicher Teil meines gewünschten Nachteilsausgleichs.
Wie bekommt man das?
Natürlich hat jede Uni und Fachhochschule ihre eigenen Regeln und Ansprechpunkte. Die Details solltest du also auf der Webseite deiner Schule ausfindig machen. Im Grossen und Ganzen lassen sich jedoch 2 Methoden erkennen, wie man einen Nachteilsausgleich erhalten kann. Je nachdem, was für einen Nachteilsausgleich du genau brauchst und welche Hilfe du bekommst, ist jeweils das eine oder das andere sinnvoller.
Die Hierarchie an den meisten Unis sieht in etwa so aus:
Dozent < Institut < Fakultät < Uni
Die beiden Methoden zum Erlangen von Hilfestellung, die ich hier beschreibe, fangen entweder ganz unten oder ganz oben in dieser Hierarchie an.
Bottom-Up Methode
Die Bottom-up Methode setzt direkt beim Dozenten oder sogar bei den Assistenten an. Dies ist meistens nicht die offizielle Methode, die du auf der Webseite deiner Uni finden kannst, sie ist jedoch in manchen Situationen sehr schnell wirksam und daher sinnvoll.
Falls du nur für wenige Vorlesungen Hilfe brauchst und der Professor ohne grossen Mehraufwand in der Lage ist, diese Hilfe zu leisten, tust du in meinen Augen gut daran, es mit dieser Methode zu versuchen. Freistellung von Gruppenarbeiten sowie zusätzliche Informationen zu Vorlesungsinhalt und Aufgaben sind die typischen Dinge, die sich für diesen Lösungsansatz eignen.
Der grosse Vorteil besteht darin, dass es oft schneller geht und mit weniger Aufwand verbunden ist – solange es nur um einzelne Vorlesungen geht. Du erhältst also auch viel schneller Feedback und behältst selbst die Kontrolle.
Ich unterstütze meine Fragen jeweils mit einem Schreiben des Psychiaters, der meine Diagnose erstellt hat. Ein solches Schreiben könnte aber zum Beispiel auch vom behandelnden Psychologen kommen. Hierzu ein paar inhaltliche Beispiele:
… (Beschreibung der Diagnose)…
Entsprechend ihrer Diagnose bereiten ihr Tätigkeiten welche eine soziale Interaktion voraussetzen (Arbeiten zu zweit oder im Team), grosse Mühe. Aus medizinischer Sicht wäre es daher empfehlenswert, sie nicht zu Gruppenarbeiten/-aufgaben zu verpflichten.
Für Rückfragen stehe ich gerne zur Verfügung
…
Des weiteren sollte sie nach Möglichkeit schon im Voraus über Inhalt, Struktur und wichtige Termine (z.B. Prüfungen) der verschiedenen Vorlesungen informiert werden.
Durch das Einhalten dieser Empfehlungen kann ein nennenwerter und unnötiger Leidensdruck vermieden werden.
…
Prüfungsmodalitäten werden oft nicht direkt oder nicht alleine vom Professor bestimmt, sondern müssen vom Institut oder von der Fakultät gutgeheissen werden. Doch auch hier kann die Bottom-up Methode sich lohnen. In diesem Fall braucht es aber auf jeden Fall ein offizielles Gesuch. Ich habe jeweils das Gesuch direkt von der Psychiaterin schreiben lassen und dann beim Prof nachgefragt, wo ich es hinschicken soll.
…
Aufgrund der damit einhergehenden Defizite sollte es ihr ermöglicht werde die bevorstehende Prüfung (…) in einem separaten Raum zu schreiben und über 30% mehr Prüfungszeit zu verfügen.
…
Top-Down Methode
Dies ist die Methode, die auf den meisten Uni-Webseiten beschrieben ist. Manchmal existiert eine spezifische Dienststelle für Studierende mit Behinderung, manchmal ist es auch einfach der Dienst für Zulassung und Immatrikulation, der dies übernimmt. Es ist nicht immer einfach, die richtige Stelle zu finden. Bei meiner kleinen Stichprobe mit ein paar Schweizer Unis und Fachhochschulen schnitt die Uni Bern am besten ab – ich war sofort im richtigen Hauptmenü. Danach folgten die ETH-Zürich und die Uni Zürich. Am schlechtesten auffindbar waren die Informationen bei den von mir besuchten Webseiten der Fachhochschulen BFH und PHB.
Wenn du Glück hast, findest du also auf der Webseite deiner Uni oder Fachhochschule die Wegweiser für das weitere Vorgehen. Das Minimalmass an Informationen sind die Kontaktdaten der zuständigen Dienststelle. Darüber hinaus gibt es manchmal mehr Details über das Prozedere, Deadlines, an die du dich halten solltest oder Informationen darüber, welche offiziellen Dokumente du benötigst.
Ab hier hängt es wohl stark von der Uni ab, wie es weiter geht. Ich selbst habe da auch nicht so viel Erfahrung. Ich weiss nur, dass es durchaus sein kann, dass du trotz zentraler Kontaktstelle die Details des Nachteilsausgleichs mit vielen verschiedenen Parteien besprechen musst. Oder dass es notwendig sein kann, für jede einzelne Prüfung ein Gesuch einzureichen.
Im Anhang findet ihr noch eine Liste von Fragen, die man beim Erstgespräch gemäss Top-Down Methodik stellen kann.
Fazit
Als Autist(in) hast du Anrecht auf einen Nachteilsausgleich. Die Herausforderung besteht darin, diesen zu beantragen. Zunächst solltest du dir überlegen, welche Hilfe du für welche Fächer benötigst. Dann kannst du je nach persönlichem Bedürfnis den Nachteilsausgleich entweder direkt beim Dozenten (Bottom-Up Methode) oder über die zentrale zuständige Stelle an deiner Uni (Top-Down Methode) beantragen.
Die Bottom-up Methode ist für kleinere Anpassungen oft schneller. Sie verlangt jedoch Kommunikation mit unterschiedlichen Parteien.
Für die Top-Down Methode musst du vorerst nur mit einer Instanz reden. Es kann aber eine Weile dauern, bis die entsprechende Information zum Professor und wieder zurück gelangt. Zudem kennen die zentralen, für Nachteilsausgleich zuständigen Instanzen sich mit den fachspezifischen Gegebenheiten deiner Ausbildung oft nicht aus. Es kann also sein, dass du ein paar Mal weitergeleitet wirst. Dafür sollten sie theoretisch besser über Autismus Bescheid wissen, aber tun sie das auch wirklich?
Für beide Methoden brauchst du offizielle Dokumente mit deiner Diagnose und einer Beschreibung der Bedürfnisse. Dies kann der Diagnosebericht oder ein offizielles Schreiben sein. Die Uni stellt an dieses Dokument manchmal spezifische Anforderungen. Falls dein Diagnosebericht Informationen enthält, die du nicht mit der Uni teilen möchtest, macht es sowieso Sinn, ein separates Schreiben für die Uni erstellen zu lassen.
Da der ganze Prozess oft nicht einfach ist, kann es sinnvoll sein, Hilfe aus deinem Umfeld (Freunde, Familienangehörige, Psychiaterin/Psychologin/Therapeutin) in Anspruch zu nehmen, wenn du die Möglichkeit dazu hast.